
Robin Kaltenbach auf der Reise
Mi., 08. Okt. 2025, AZ-Bingen
Der querschnittsgelähmte Robin Kaltenbach beeindruckt die Zuhörer des Binger Lions Clubs mit dem Bericht seiner sechsmonatigen Reise
Von Jochen Werner
BINGEN . Es ist eine Geschichte, die Mut macht. Eine Geschichte, die zeigt, was sich auch als Querschnittsgelähmter bewältigen lässt. Eine Geschichte, die Kraft gibt. Eine Geschichte, die für ein freies Europa steht. Der Südpfälzer Robin Kaltenbach hat auf seiner gut sechsmonatigen Reise mit dem rein mechanisch betriebenen Handbike, ganz allein, bewiesen, was sich mit Neugier, dem Willen, sein Leben zu ändern, und der notwendigen Zeit erreichen lässt. Das Fazit seines anderthalbstündigen Vortrags im Binger Kulturzentrum lautete analog dazu: „Es lohnt sich, im Jetzt zu leben und zu überlegen, was ich mit meiner Zeit anfange.“ Dann nämlich lassen sich auch Schicksalsschläge leichter ertragen.
Auch Ängste und Probleme waren Thema
Der Binger Lions Club hatte Kaltenbach eingeladen, und mehr als zwei Dutzend Interessierte waren dem von Bildern und Filmausschnitten unterfütterten Bericht gefolgt, ließen sich von seiner Skizzierung begeistern. Auch deshalb, weil er nichts beschönigte, Ängste und Probleme offenbarte. Rund 3.500 Kilometer legte er zurück, von der Heimat in Steinfeld bis zum Geburtsort Freiburg, und dann mit dem eigentlichen Start an der Donauquelle in Donaueschingen immer Richtung Osten, über Wien und Bratislava nach Budapest, dann durch die Puszta, durch Transsilvanien, die Karpaten bis ins Donaudelta hinein, dann gen Süden und über Bulgarien bis nach Thessaloniki.
Robin Kaltenbach, 36 Jahre alt, ist Umweltwissenschaftler und Naturliebhaber. Ein Mensch, der auch an Kultur und Geschichte interessiert ist und von dessen Erfahrungen und seiner Lebenseinstellung viele profitieren können. Der als Fünfjähriger an Krebs erkrankte und aufgrund von Metastasen nach bereits erfolgter Behandlung in der Uniklinik in Heidelberg erfuhr, dass er von nun an auf den Rollstuhl angewiesen sein würde, auch wenn seine Lähmung „nur“ inkomplett ist, er die Beine wenige Schritte weit gebrauchen kann. 30 Jahre später hatte er an derselben Stelle sein Wow-Erlebnis, entdeckte für sich, wie viel Motivation und Kraft die Natur ihm geben kann. Kaltenbach kündigte Job und Wohnung, kaufte sich ein gebrauchtes Handbike und startete wenige Wochen später, im Mai 2024, zu seiner großen Tour.
Rund 140 Kilo wog sein Gesamtpaket. Außer ihm, der wenig mehr als 50 Kilo auf die Waage bringt, war das sein adaptives, an den Rollstuhl geschraubtes Handbike, das Zelt, die Kleidung und die benötigte Ausrüstung. Die ersten Bewährungsproben mit Donauhochwasser und einer sehr schmalen Brücke, mit gesperrten Radwegen und der Erkenntnis, dass die Kombination zwischen Rad und Schiff gut funktioniert, mit der ersten Panne vor Esztergom in Ungarn waren schnell geschafft. Auf der anderen Seite stand die neu entwickelte Leidenschaft für die sich offenbarende Tierwelt, speziell für Schmetterlinge.
Was die Zuhörer fasziniert, sind die Schilderungen über die Erfahrungen mit den Menschen und der Natur, die allesamt auch Rückschlüsse auf die Einstellung Kaltenbachs zulassen und gleichzeitig so manches Vorurteil widerlegen. Vor allem, wenn es um die Hilfsbereitschaft der Menschen geht. Gerade in Rumänien habe er eine unfassbare Gastfreundschaft erlebt, berichtet er, sei er via Sicherheitsgurt auch mal von einem Pkw gezogen worden.
Kaltenbach zeigt das, worauf es im Leben wirklich ankommt, ohne dies explizit auszusprechen. Etwa, wenn es um ursprüngliche Lebensarten in kleinen Orten Transsilvaniens geht, wo viele Familien noch Selbstversorger sind, wo auf dem Land der Austausch und das Miteinander noch so sind wie in der Bundesrepublik vielleicht in den frühen 1960er-Jahren. Wenn es um Hilfsbereitschaft geht. Bilder und Filme zeigen Hunde, die ihn verbellten und begleiteten, zeigen Bären, die die Nähe der Menschen suchen oder sich noch natürlich verhalten. Zeigen Hindernisse auf dem Weg in die nordgriechische Metropole, die es zu meistern galt. Offenbaren Rückschläge, zeigen LKWs auf einer viel befahrenen Straße, die ihm gefährlich nahekamen. Zeigen die zu befahrenen Wege, die häufig alles andere als fahrradtauglich waren. Zeigen aber abseits der Touristenströme auch eine unverfälschte Natur.
Die Reise ist immer noch nicht zu Ende
Sie offenbaren vor allem aber mehr und mehr, dass tatsächlich der Weg sein Ziel war, die Reise in Wahrheit noch längst nicht zu Ende ist. Die Fortsetzung in diesem Jahr musste wegen eines neu entdeckten Tumors ausfallen. „Das Reisejahr hat mir aber Mut und Kraft gegeben“, sagt Kaltenbach. Der Vorderteil des Rollstuhl-Bikes steht bei Bekannten in Thessaloniki und wartet darauf, dass es weitergeht. Wohin, ist offen

Herausforderungen einer Reise

Schotterpisten, voran ging es teilweise nur mit einer Hand vorne und einer am Rollstuhl – mühsam
