Die Wirtschaft ist nicht nur bundesweit in einer Rezession. Auch in Rheinland-Pfalz und im wirtschaftsstärksten Landkreis des Landes, in Mainz-Bingen, ist derzeit kein Wachstum in Sicht. Rheinhessen habe aber sehr gute Rahmenbedingungen, von einem Wirtschaftsaufschwung zu profitieren bzw. diesen vor Ort mit zu erarbeiten. Das gelte auch für Bingen, so IHK-Geschäftsführer Dr. Florian Steidl, in seinem Vortrag „Hightech im Rebenmeer“ beim Lions Club Bingen. Seit drei Jahren hat der IHK-Geschäftsführer für die Region Bingen, Ingelheim und Alzey seinen Dienstsitz in Bingen, der seit 1862 für die Belange der Betriebe aktiv ist.

Dr. Florian Steidl, Jörg Berres
Attraktiv und wirtschaftlich bedeutsam machen Rheinhessen, so Dr. Steidl, die gute Lage als Teil der Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar, das größte deutsche Weinanbaugebiet mit seinem touristischen Potenzial und vor allem eine sehr breit aufgestellte Wirtschaft mit international herausragenden Unternehmen, Hidden Champions und einem soliden Mittelstand. Die Großansiedlung von Eli Lilly in Alzey werde diese Ausgangslage ab 2027 in den Bereichen Pharma- und Biotechnologie weiter verstärken. Auch in Bingen würde die Ansiedlung eines Biotechunternehmens Sinn machen, schließlich sind die TH Bingen und die Biotechnologieakademie des Landes bereits vor Ort. Dafür brauche es allerdings passende Flächen, die aktuell nicht in Sicht sind.
Das Wirtschaftsklima bleibt bei den Betrieben derzeit auch in Rheinhessen weiter eingetrübt. Die Entwicklungen der Geschäftslage, Geschäftserwartungen, Beschäftigung, Investitionen und die Exporterwartungen weisen schon länger nach unten, betont Dr. Steidl. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, inländische Nachfrage, hohe Arbeitskosten und der Fachkräftemangel sind aktuell die wichtigsten Risiken für die Geschäftsentwicklung der Betriebe in Rheinhessen. Hinzukommen steigende Steuer- und Abgabenlasten auf der kommunalen Ebene.
Der Geschäftsführer der IHK mahnte Reformen und zusätzliche Anstrengungen im Bereich der Wirtschaftsförderung, insbesondere durch qualifizierte Ansprechpartner und die Ausweisung von Gewerbeflächen an, dies gelte insbesondere auch für den Standort Bingen. Auch wenn Bingen in den letzten zehn Jahren bei Touristen und Übernachtungen besser abgeschnitten hat als Rheinhessen, dürfe man bei zunehmenden Leerständen in der Stadt nicht zusehen, sondern sollte gemeinsam mit den Betrieben die Standortbedingungen verbessern. Mit dem landesweit höchsten Grundsteuerhebesatz auf gewerblich und gemischt genutzte Grundstücke von 1.200 Prozent bewirke man aber das Gegenteil, so Dr. Steidl. Die Buga 2029 sei eine Chance für die Region. Es gelte touristische Aktivitäten in Rheinhessen weiter zu bündeln, den Dachmarkenprozess weiter mit Leben zu füllen. Im Hotelbereich sei es marktverträglich, vier bis sechs neue Hotels anzusiedeln.
Die sich an den Vortrag anknüpfenden Diskussion war von Pessimismus und Hoffnung zugleich geprägt. Auch wenn die fetten Jahre wohl vorbei sind, erfordern die Stabilisierung und Verbesserung der Wirtschaft auch vor Ort in Bingen mehr gemeinsame öffentliche und private Anstrengungen. Die IHK werde diesen Prozess gerne unterstützen, so Dr. Steidl.
Der Präsident des Lions Clubs Bingen, Jörg Berres, dankte abschließend für die rege Teilnahme und Diskussion und betonte die Bedeutung einer starken Wirtschaft auch für einen funktionierenden Sozialstaat und zahlreiche freiwillige Leistungen der Kommunen.

